„Bauen 4.0“ – Baubranche steht mit Digitalisierung ganz am Anfang

(ABZ). – Momentan befindet sich die Digitalisierung der deutschen Baubranche im internationalen Vergleich noch in der Anfangsphase. Erste Initiativen zeigen jedoch: Die Vorteile digitaler Projektoptimierung im Baugewerbe sind groß, „Bauen 4.0“ könnte sich auch hierzulande durchsetzen. Dennoch dürfen Unternehmen vor allem den Anfangsaufwand zur Einführung IT-basierter Systeme nicht unterschätzen – und auch nicht auf Wunder hoffen.

Wie in vielen anderen Bereichen liegt derzeit auch in der Baubranche das Augenmerk auf Digitalisierung. Mit „Bauen 4.0“ wurde ein Begriff geprägt, der maßgeblich für die flächendeckende Einführung IT-gestützter Methoden wie Building Information Modeling (BIM) steht, um Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden zu optimieren. Im Vergleich zu anderen Industrien schreitet die Digitalisierung der Baubranche in Deutschland bisher jedoch nur langsam voran. Andere Länder, wie bspw. die USA, Großbritannien und Skandinavien, sind diesbezüglich um Jahre voraus. Woran liegt das? Hauptsächlich daran, dass andernorts bereits Regelwerke existieren, welche die Nutzung einer Gebäudedatenmodellierung bei der Realisierung von öffentlich finanzierten Bau- und Infrastrukturprojekten vorschreiben. Bisher gibt es im EU-Vergaberecht hingegen keine verabschiedeten Richtlinien, die dies von deutschen Bauträgern ebenfalls verlangen.

Eine weitere Ursache für die langsame Entwicklung liegt darin, dass die Bauindustrie eine vergleichsweise kleinteilige Branche ist, die sich aus zahlreichen Beteiligten zusammensetzt. Um in diesem schwierigen Umfeld übergreifende Richtlinien zur Digitalisierung im Bau sowie Daten- und Prozessstandards für Technologien zu schaffen, braucht es zunächst bessere Netzwerke und Kooperationen. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits mit der Institution „planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH“ gemacht. Die Initiative verfolgt das Ziel, die durch digitalisierten Bau geschaffenen Effizienzpotentiale allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Bisher haben bereits einzelne private Auftraggeber aus dem Schiffs- oder Maschinenbau, dem Straßenbau sowie Flughäfen in Deutschland eigene BIM-Richtlinien einführen.

Das Voranschreiten von digitalen Gebäudemodellierungsmethoden macht entsprechende Vorgaben im öffentlichen und mittelständischen Bereich unabdingbar – vor allem im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen der Baubranche können aus Richtlinien einen Vorteil ziehen, da ihnen durch klare gesetzliche Vorgaben die eigenständige, oftmals sehr aufwendige Sondierung zur Umsetzung von digitalen Gebäudedatenmodellierungen erspart bleibt.

BIM ist nicht als ein System oder Programm zu verstehen. BIM ist vielmehr ein Prozess, der mit Hilfe von Software zur Optimierung des Bauprojektentwurfs, der Planung, der Errichtung, des Betriebes und des Erhalts von Bau- und Infrastrukturleistungen führt. Im Rahmen dieser Methode werden alle relevanten Gebäudedaten über den Lebenszyklus eines Bauprojektes hinweg digitalisiert, die einzelnen Fachkonzepte kombiniert und vernetzt. Diverse Planungsschritte werden miteinander verzahnt, und Informationen stehen konsistent und tagesaktuell zur Verfügung. Gibt es beispielsweise Verzögerungen, so können die Konsequenzen für alle Bereiche und Parteien – und damit für das Gesamtprojekt – umgehend identifiziert und analysiert werden. BIM ermöglicht es, durch die integrierte und partnerschaftliche Arbeitsweise das Bauvorhaben schneller, wirtschaftlicher und nachhaltiger umzusetzen. Dies geht mit einer höheren Planungs-, Termin- und Kostensicherheit einher. Zudem ermöglicht die BIM-Methode durch die zielgerichtete Übertragung von Informationen eine adressatengerechte Berichterstattung.

Eine wichtige Voraussetzung, um von diesen Vorteilen profitieren zu können, ist jedoch, dass das Modell von den Fachkräften richtig eingesetzt und gepflegt wird. Es ist unabdingbar, dass fachliches Verständnis vorhanden ist, um Daten korrekt einzugeben und zu deuten. Es handelt sich um ein dynamisches System, welches sich im Laufe des Projektes verändert. Einmaleingaben ohne fachkundige Anpassungen an die tatsächlichen Projektentwicklungen reichen nicht aus und führen dann trotz moderner IT mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern des Bauprojekts.

Die digitale Plattform birgt weitere Herausforderungen. So sind die Erwartungen an die BIM-Methode oftmals überzogen. Denn BIM nutzt zwar Softwareprogramme, welche komplexe Informationen vereinfachen, aufbereiten, analysieren und in gewünschter Form bereitstellen. Eine vollständige Automatisierung des Prozesses ist jedoch in keinem Fall möglich. Andererseits besteht somit auch kein Grund zur Befürchtung, dass die Methode Fach- und Führungskräfte vollständig ersetzen könnte. Vielmehr ermöglicht BIM den Experten aus Fleisch und Blut eine effizientere Arbeitsweise. Der Mehraufwand, der durch die Einführung von BIM gerade in der Anfangsphase entsteht, ist den Beteiligten jedoch oftmals nicht bewusst: MitarbeiterInnen müssen geschult, die technischen Voraussetzungen und passenden Strukturen geschaffen werden. Dieser anfängliche Mehraufwand, gepaart mit Widerstand gegenüber Veränderungen im Allgemeinen, kann ein Hemmschuh für die Einführung sein.

Die Digitalisierung von Bauprojekten stellt eine Entwicklung der Baubranche dar, der vor allem aus Wettbewerbs- und Qualitätsgründen durch eine höhere Termin-, Kosten- und Planungssicherheit gefolgt werden sollte. Dennoch muss bedacht werden, dass die reine Digitalisierung allein nicht ausreicht, um ein Projekt steuern zu können. Die Beteiligten müssen die komplexen und verzahnten Vorgänge verstehen sowie Daten entsprechend lesen und einsetzen, um Übersicht und Kontrolle zu erhalten.

 

Quelle: http://allgemeinebauzeitung.de/abz/bauen-40-baubranche-steht-mit-digitalisierung-ganz-am-anfang-12312.html